Das vegetative Nervensystem – unbekannte Nerven

Treten Schmerzen auf, weiß ein jeder: es müssen die Nerven sein! Da ist was dran, die Nerven sind schließlich die Kabel, die auch die entlegensten Körperbereiche mit dem zentralen Nervensystem verbinden. Bei solchen Kabeln denken wir häufig beispielsweise an den „Ischias-Nerv“. Das ist der große Nerv, der vom unteren Rückenbereich auf der Beinrückseite hinunterläuft und immer für Kreuz- und Beinschmerzen verantwortlich gemacht wird. Er ist allerdings Teil der sog. bewussten Nerven, die wir einsetzen, um uns zu bewegen. Dieses Nervensystem ist in der Regel gut darstellbar und kann auch neurologisch genau untersucht werden. Ein Bandscheibenvorfall quetscht manchmal einen solchen Nerv ein und verursacht auf diese Weise Schmerzen, Lähmungen und Gefühlsstörungen. Das vegetative Nervensystem funktioniert allerdings ganz anders. 

Das vegetative Nervensystem – die etwas anderen Nerven 

Im Gegensatz zum erwähnten bewussten Nervensystem ist das vegetative System unbewusst. Es reagiert selbstständig auf Innen- und Außenreize. Daher wird es auch autonomes Nervensystem genannt. Ihm obliegt u.a. die Steuerung der Eingeweide und des Herz-Kreislauf-Systems. Es ist immer beteiligt, wenn wir aufgeregt sind oder unsere Verdauung nicht funktioniert. Darüber hinaus überwacht es unsere Biorhythmen und sexuelle Funktionen. Es reagiert auf Stress und körperliche oder seelische Anstrengungen. Das vegetative Nervensystem spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Erhaltung chronischer Schmerzen. Und nicht nur das, es hat sogar Einfluss auf unsere Emotionen und unseren Gefühlshaushalt. Damit unterliegt es auch den  Schwankungen unserer Stimmungen und des Wetters. Unser Bauchgefühl, das sich gelegentlich in besonderen Situationen meldet, setzt sich wahrscheinlich aus den vielen vegetativen Nervenzellen im Magen-Darmtrakt zusammen. Daher spricht man auch vom sog. Bauchhirn. Wie es scheint, ein außerordentlich wichtiges Nervensystem! 

Das Vegetativum: keine Diagnostik, keine gezielte Therapie

Wichtig ja, aber kaum zu glauben: wir verfügen bei diesem Nervensystem bis heute nicht über  spezifische diagnostische oder therapeutische Kenntnisse. Das bedeutet, es gibt keine apparative Technik, die uns zuverlässig darüber aufklären kann, ob etwas mit unserem Vegetativum nicht stimmt. Vegetative Unruhezustände und Funktionsstörungen lassen sich demnach weder auf ihren Ursprung zurückführen noch sind sie gezielt behandelbar. Nur auf dem Wege der Ausschlussdiagnostik vermutet die Medizin schließlich eine vegetative Störung, wenn nämlich alle anderen Diagnose fähigen Erkrankungen ausgeschlossen sind. Daher greift die Menschheit seit allen Zeiten zur Selbsthilfe und probiert es mit beruhigenden Substanzen wie Zigaretten, Alkohol oder anderen Drogen. Letzteren lassen sich auch manche Medikamente zurechnen. Dazu passt die Meldung, dass Angststörungen massiv auf dem Vormarsch sind. Auch Schmerzen werden immer häufiger beklagt, und sie machen eine Höllenangst.  

Vegetative Störungen und ihre Folgen

Wenn vegetative Störungen ein großes Thema sein sollen, dann müssen die damit einhergehenden Probleme auch bedeutend sein. Tatsächlich sind sie nicht nur bedeutend sondern in weiten Bereichen entscheidend für unser Leben. Das vegetative, auch autonom genannte Nervensystem unterhält nämlich enge Verbindungen zu  wichtigen Systemen und Zentren unseres Körpers. Auf diese Weise beeinflusst es hormonelle Regelkreise und beispielsweise die Ausschüttung von Adrenalin und Schilddrüsenhormonen. Das Vegetativum kommuniziert auch mit emotionalen Zentren und mit der Muskulatur. Zusätzlich  hat es direkte Einwirkungsmöglichkeit auf die Gefäße. Über die Emotionen hat es weiteren Einfluss auf unser Gefäßsystem. Sein Einfluss macht sich häufig in Form von Kältegefühlen an Armen und Beinen bemerkbar. Nicht zuletzt bei der Entstehung von Bluthochdruck spielen diese Vorgänge eine große Rolle. Damit sind vegetative Störungen auch das entscheidende Problem bei Stress.

Vegetative Störungen – Stress und Angst

Tatsächlich scheint Stress mittlerweile nicht nur in den gehobenen Führungsebenen sondern auch auf den unteren Dienstebenen angekommen zu sein. Schon als Sekretärin hat man gute Chancen auf eine erfolgreiche Burn-out-Karriere, ohne dabei von dem finanziellen Schmerzensgeld eines Managers getröstet zu werden. Vegetative Fasern sind überall im Körper anzutreffen und haben ein perfektes Netzwerk etabliert. Damit entgeht diesem Nervensystems nichts – im Guten wie im Schlechten. Entspannung wirkt beruhigend und mäßigend, auch gute Gedanken, Vertrauen, Liebe und religiöser Glaube. Diese wertvollen Güter wirken unseren ungünstigen Lebensumständen nicht immer hinreichend entgegen. Daher spüren immer mehr Menschen dieses unbestimmte, anfangs meist noch uneingestandene Gefühl von Nervosität, Unruhe und Angst, Lebensangst. Das Vegetativum sorgt dafür, dass deren Auswirkungen überall im Körper ihre Spuren hinterlassen.     

Vegetative Störungen am Bewegungssystem

Vegetative Unruhezustände sind uns allen vertraut. Manchmal empfinden wir sie als lästig. Häufig haben wir sie aber in gefühlsbetonten schönen Momenten auch schätzen gelernt. Alle deutlichen Veränderungen des vegetativen Aktivitätsniveaus werden als starke emotionale Zustände erlebt. Vegetative Instabilität hingegen beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Sie wirkt sich  negativ aus auf die Bewältigung von Krisen, Krankheiten und Schmerzzuständen. Am Bewegungssystem vollzieht sich vegetativ-körperliches Erleben hauptsächlich in Form von Tonusveränderungen im Bereich der Muskeln und Faszien. Wir empfinden Verspannungen, Bewegungseinschränkung und Unwohlsein. Leider wissen wir diese Funktionsstörungen oft nicht richtig einzuordnen.

 

Akupunktur und vegetative Störungen

Akupunktur ist mittlerweile ein fester Bestandteil der therapeutischen Landschaft in Deutschland geworden. Die allermeisten Therapeuten behandeln mit traditioneller chinesischer Akupunktur. Dabei setzt man eine Reihe von Nadeln am ganzen Körper. Praktischer und u.U. auch nachhaltig wirksamer ist ein modernes Akupunkturverfahren. Es kommt im Bereich der Ohren zur Anwendung und heißt Aurikulomedizin. Mit dieser Methode gelingt in erfahrenen Händen der Nachweis der Schmerzursachen. Natürlich will man eine anhaltende Verbesserung oder sogar eine Heilung der Beschwerden erreichen. Der Behandler sollte dazu den Hintergrund des Problems verstehen. Eine rein symptomatische Therapie reicht dazu nicht aus. Sie ähnelt einer Behandlung mit Schmerztabletten – obwohl auch diese natürlich manchmal unvermeidlich ist. Was könnte die häufigste gemeinsame Ursache von Schmerzen und Beschwerden aller Art sein? Ohne Zweifel sind das Funktionsstörungen des Vegetativums.  

Akupunktur behandelt viele Symptome gleichzeitig

Das vegetative Nervensystem verbindet viele Bereiche des Körpers miteinander  und hat auf all diese Bereiche auch erheblichen Einfluss. Störungen, Disharmonien dieses Systems wirken sich überall im Körper aus, auch in den emotionalen Zentren. Allerdings scheinen diese Symptome auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben. Die meisten Patienten glauben dementsprechend, sie müssten viele verschiedene Therapeuten aufsuchen. Es ist aber kein Zufall, dass so viele Menschen unter den unterschiedlichsten Beschwerden leiden. Die vegetative Funktionsstörung hat in den jeweiligen Körperbereichen ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild. Wenn man aber das Prinzip verstanden hat und über entsprechende Erfahrung verfügt, lassen sich mehrere körperliche und auch emotionale Problembereiche gleichzeitig mit Akupunktur behandeln. Dazu sucht man diejenigen Punkte auf, die den größten Einfluss auf die zu Grunde  liegende Problematik haben.

Wie Akupunktur vegetative Störungen heilen kann

Die Wirksamkeit der Akupunktur auf das Vegetativum ist in Teilen bereits erforscht. Insbesondere die Vernetzung der Ohrmuschel mit bestimmten Bereichen des vegetativen Nervensystems wurde wissenschaftlich bestätigt. Hier macht sich ein bestimmter Effekt der Nadeltherapie besonders positiv bemerkbar: die Abschwächung der körperlichen und seelischen Stimulation durch Adrenalin. Es ist bekannt, dass unsere Nebennierenrinde dieses Hormon bei  Stress vermehrt ausgeschüttet. Dauert dieser Zustand länger an, treten eine Vielzahl unerwünschter Wirkungen mit den entsprechenden Beschwerden auf. Es kommt  zu Unruhe und Angst, zunehmenden Schmerzen und letztlich zur Schmerz-Chronifizierung mit Ausbildung des gefürchteten Schmerzgedächtnisses. Die kluge Wahl wirksamer Akupunkturpunkte reduziert die Folgen der Adrenalinausschüttung und stabilisiert die körperliche aber auch mentale und emotionale Verfassung. Diese  Zustandsänderung wird oft bereits nach kurzer Behandlungszeit empfunden. 

Du sollst nie Deine Mitte verlieren!

Deine Mitte, unsere Mitte, was ist das und warum dürfen wir sie nicht verlieren? Der Begriff der Mitte findet  übrigens in der traditionellen chinesischen Literatur häufig Verwendung. Da ist er sogar ein ganz zentraler Gedanke. Beispielsweise gibt es in der chinesischen Medizin auch Organe der Mitte. Der Magen ist ein solches Organ. Wir kennen doch eigentlich dieses Bauchgefühl und seine für unser Wohlergehen so wichtige Rolle. Wenn der Magen ein Problem hat, werden wir schwach und fühlen uns außerordentlich krank. Kurzum, wir verlieren unsere Mitte. Dementsprechend wäre diese also als etwas Organisches zu betrachten. Sie hat darüber hinaus jedoch auch einen ideellen, geistigen Charakter. Unsere Mitte entspricht der Vorstellung, dass wir, unser Selbst, vielleicht auch unsere Seele ein Zentrum haben, das geschützt werden muss. Die Idee dabei ist, dass wir einen Kern, einen Wesenskern besitzen, der uns stabilisiert und schützt.

 Was gefährdet Deine Mitte?

Du wirst es kaum glauben, aber Deine Mitte ist ständig in Gefahr. Sie leidet, wenn sie belastet wird durch körperlich oder geistig Unverträgliches. Dazu gehören falsche Nahrungs- oder Genussmittel ebenso wie ungünstige körperliche oder geistige Reize. Zu wenig oder zu viel Bewegung leert unsere Energiespeicher  ebenso wie Dauerfernsehen oder Dauerstreit. Letztendlich dürften Streitigkeiten und Stress zu den häufigsten und schwerwiegendsten Belastungsfaktoren der Mitte gehören. Darüber hinaus gehören auch schlechte Nachrichten, Misserfolge, unangenehme Erkenntnisse oder einfach alles, was unser Selbstbild in Frage stellt, zu den ganz großen Mitte-(Zer-)Störern. Schließlich sollten auch unsere Lieblingsideen und -Vorstellungen nicht unerwähnt bleiben. An ihnen hängen wir ganz besonders und verteidigen sie mit aller Macht. Wehe, wenn diese sich letztlich als wenig hilfreich erweisen.     

Wie wirkt sich ein Verlust der Mitte aus?

In körperlicher Hinsicht stellen die häufigen Magen-Darm-Probleme ein anschauliches Beispiel dar. Hier finden wir aber nicht nur Symptome wie Oberbauchbeschwerden Übelkeit, Verdauungsstörungen bis hin zu  körperlichem Verfall mit Leistungsunfähigkeit. Tatsächlich kann eine gestörte Mitte auch zu Wirbelsäulenbeschwerden, Verspannungen oder Kopfschmerzen führen. Vielleicht am häufigsten kommt es darüber hinaus jedoch zu emotionalen Störungen. Dazu gehören leichte Symptome wie Konzentrationsstörungen und Müdigkeit ebenso wie Momente starker Traurigkeit – beispielsweise beim unerwarteten Verlust eines geliebten Menschen. Die angeblich mittlerweile so häufige Lebensangst wäre demnach ein weiteres Symbol für die Gefährdung unserer Mitte.

Therapie der Mitte 

Was dringend zu beachten ist: wir alle brauchen möglichst viele gute, gesunde Dinge, die unsere Mitte stärken. Für die meisten dürfte das Familie und Beziehungen überhaupt sein, für manche auch der Sport,  ein gutes Buch, das Hobby oder ihre Religion. Natürlich tragen gute Unterhaltung und Gespräche sowie sinnvolles Engagement ebenso dazu bei, unser Innenleben zu stärken, unsere Seele zu streicheln. Gefühle von Geborgenheit und Anerkennung sind sicherlich Schlüsselemotionen für eine starke Mitte. Leider lässt sich diese aber auch durch Fehlanreize stimulieren. Alkohol, Zigaretten, übermäßiger Ehrgeiz sowie nicht zuletzt feindseliges Verhalten gegenüber Andersdenkenden haben scheinbar das Potential, uns vorübergehend zu stärken. Daher greifen viele häufig darauf zurück. Letztendlich führt jedoch nur eine langfristig stabile Mitte zur Ausgewogenheit unserer Systeme, insbesondere unseres vegetativen Nervensystems. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Vegetative Systeme im Gleichgewicht sind ein Garant für eine stabile Mitte.